Moin,
nach einem – wie jeden Tag hier im Hotel- sehr leckerem Frühstück haben wir uns zu Fuss auf den Weg gemacht nach Neve Tzedek, ein Stadtteil von Tel Aviv. Wir begannen unseren Stadtrundgang vor einem leerstehenden Betonkomplex an der Standpromenade. Ein steinernes Monument, vor diesem Betonkomplex, erinnert an die Opfer des Selbstmordattentates vor dem „Dolphinarium“, einer Open-Air-Disco am Strad von Tel Aviv im Jahr 2001. Es ist unvorstellbar, denn wir fühlen uns alle in diesem Moment näher am lebendigen Treiben und dem alltaeglichem Leben in Tel Aviv, als dem Nahost-Konflikt.
Auf unserem weiteren Rundgang sahen wir. nicht nur den alten Bahnhof von Tel Aviv oder Wohnhäuser im internationalen Bauhausstil, die unter Denkmalschutz stehen, wir erfuhren auch, dass in diesem Stadtteil innerhalb von einem Jahr an die 140 Wohnhaeuser gebaut wurden. Unser Rundgang endete vor dem alten Rathaus, hier klärten wir wichtige Details über die Staatsgründung Israels.
Anschliessend fuhren wir nach Givatayim, um dort die Betriebsratsvorsitzende der grossen Altersheimkette der Histadrut zu treffen. Nach einer informativen Vorstellung des Hauses, der Personen im Betriebsrat und der Betriebsratsabeit, gab es für uns die Möglichkeit Fragen zu stellen. Hierbei sind uns sowohl ähnliche Problem als auch Unterschiede z.B. im gesetzlichen Urlaubsanspruch begegnet.
Danach hatten wir uns das wundervolle Mittagessen auf der Terrasse des Oved Bakfar redlich verdient.
Der letzte Punkt auf der Tagesordnung war auch gleichzeitig der schwerste. In einem Kulturzentrum in Givatayim warteten drei Holocaustüberlebende namens Eli, Alex und Hannah auf uns, um uns ihre leidvolle Geschichte zu erzählen.
Eli wurde 1943 mit seiner Familie unter unmenschlichen Bedingungen zunächst in ein Ghetto und dann nach Auschwitz deportiert. Als er bei der Ankunft von seiner Familie getrennt wurde, sagte er zu seiner Mutter „Ich besuche dich am Nachmittag“. An diese Worte erinnert er sich deshalb so genau, weil es die letzten waren die er seiner Mutter gesagt hat. Ähnlich erging es Hannah, die uns den für sie wichtigsten Gegenstand auf der Welt zeigte: eine Brille. Diese Brille ist das einzige, was ihr von ihrer Mutter blieb.
Viele Überlebende haben nie über diese Traumata gesprochen.
Alex möchte heute auch nicht über seine Zeit im Konzentrationslager berichten. Er erzählt uns von anderen nicht nachvollziehbaren Ereignissen, die Ausgrenzung seiner Familie aus der Nachbarschaft und dem sozialen Leben. Er verstand als Kind von sieben Jahren nicht, wieso er seinen besten Freund plötzlich nicht mehr sehen durfte.
Es ist mir nicht möglich, die Geschichten dieser drei Zeitzeugen wiederzugeben.
Jede Frage ist uns jetzt zu viel, wir schweigen.